13. September bis 7. November 2025
Wie verstehen wir Geschichte(n), die hinter einer Maske erzählt werden?
Das Tchiloli, eine Performance, die bis heute auf der westafrikanischen Insel São Tomé aufgeführt wird, scheint auf den ersten Blick eine treue Inszenierung der Legenden um den europäischen Kaiser Karl den Großen zu sein. In Wahrheit jedoch ist das Tchiloli auch ein Akt des Widerstands gegen die 500-jährige portugiesische Kolonialherrschaft. Hinter der Maske des weißen Mannes erschufen Schwarze Darsteller eine Bühne für „Gegen-Geschichten“, erzählt von den Nachfahren einst gewaltsam verschleppter und versklavter Menschen.
Zu den schnellen Rhythmen von Flöten, Trommeln und Sucalos tanzend, verkörpern Figuren aus dem mittelalterlichen Europa im Tchiloli eine uralte afrikanische Spiritualität, während sie Verse auf archaischem Portugiesisch – der Sprache der Kolonialmacht – rezitieren. Hin- und hergerissen zwischen Selbstdarstellung und der Anpassung an die weiße Normgesellschaft, werden im Tchiloli auch die Spuren physischer, psychischer und epidemischer Gewalt sichtbar, die der Kolonialismus hinterlassen hat – wie sie Frantz Fanon und andere postkoloniale Denker:innen eindrücklich beschrieben haben.
Tchiloli Demasked hinterfragt eurozentrische Perspektiven auf Kunst, Erinnerung, Kultur und Identität und lädt dazu ein, neue afrofuturistische Visionen zu erkunden. In einer Zeit, in der Technologie unsere Wahrnehmung von Realität und Geschichte beeinflusst, verschwimmen die Grenzen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – ganz wie im Tchiloli. Mit Texten von Jacqueline Gomes.
Entmaskieren ist Dekolonisieren.
Ein Projekt im Rahmen von FOTO WIEN 2025.
Das gesamte Festival Programm findet sich ab September 2025 unter: https://www.fotowien.at/
Jacqueline arbeitet als Grafikdesignerin an der Universität zu Köln, wo sie kürzlich auch ihre Masterarbeit über das Tchiloli abgeschlossen hat. Tief mit ihren brasilianischen Wurzeln verbunden, widmet sie sich mit großer Leidenschaft den vielfältigen Verbindungen zwischen Lateinamerika und Afrika. Ihr besonderes Interesse gilt vorkolonialen Kulturen, dem Panafrikanismus und der Dekolonisierung. Sie spricht sechs Sprachen, darunter das kapverdische Kriolu, und lernt derzeit Forro, die Sprache von São Tomé. Sie verfasst die Texte über das Tchiloli.
Felix setzt sich in seiner fotografischen Arbeit mit Menschen in den Räumen auseinander, die ihren Alltag prägen – mit dem Ziel, soziale Landschaften zu dokumentieren. Seine Fotografien erzählen nicht die Geschichten der Porträtierten – diese gehören ganz ihnen – sondern spiegeln seine eigene Perspektive auf die Begegnungen wider, die sich im Zusammenspiel von Mensch, Ort und Gesellschaft entfalten. Zehn Jahre lang lebte er in Nairobi und arbeitete in dieser Zeit unter anderem mit der Afrikanischen Union, der Europäischen Union, den Vereinten Nationen, dem Zivilen Friedensdienst, der GIZ und Kituo Cha Sheria zusammen.